Die Logik des Vertikalen 

Warum das Gehen für das Denken unverzichtbar ist und Wandern oft anstrengender, als man denkt: Der Philosoph und Bergwanderführer Jens Badura im Gespräch. Das Interview von Christina Geyer und Mara Simperler ist im Bergwelten Magazin (August/ September 2018) erschienen. 

(…) 

Was macht es also mit dem Denken, wenn der moderne Mensch zu einem Großteil in einem Büro sitzt? 

Man verfällt in eine Routine – die franzö­sische Wortherkunft ist „Wegerfahrung“. Der moderne Mensch gerät in Gefahr, seine Routinen nicht mehr auf die Probe stellen zu müssen, weil alle Wege vorgege­ben sind. Ich denke, dass alle Formen der Monotonie dazu führen, dass das Denken in Stereotypen landet. 

Wechseln wir das Thema: Sie lehren an der Zürcher Hochschule der Künste zu „Ästhetischer Theoriepraxis“. Was ist für Sie ein schöner Berg? 

Wenn man über Ästhetik in den Bergen spricht, muss man eine Unterscheidung zwischen Schönheit und Erhabenheit treffen. Das wohlige Schaudern, das mit dem Erhabenen verbunden ist, wird den Bergen häufiger zugewiesen. Mit meinem Hausberg, dem Untersberg, habe ich ein geradezu spürbares Bindungsverhältnis – da spielt eine andere Qualität als Schön­heit eine Rolle. 

Nämlich? 

Es ist nicht seine markante Form, die mich begeistert. Ich bin jedes Mal aufs Neue berührt durch das bloße Dasein dieses Ber­ges, sicher auch geprägt durch starke Erinnerungen und die vielen vertrauten Plätze. Wo­bei ich es als philosophische Herausforderung empfinde, Begriffe wie „Kraftort“ aus den Fängen esoterischer Verschwurbelung herauszuholen. Schönheit ist eigentlich nur dann eine Kategorie, wenn ich den Berg bereits als Abbild denke. Wenn ich dem Berg gerecht werden will, muss ich ihn anders wahrnehmen als nur als Foto. 

Diese Abbilder der Berge in Medien kriti­sieren Sie. Warum? 

In Magazinen und Broschüren sieht man meist Klischeealpen: Leute, die klettern und Abenteuer erleben; Menschen, die wandern und genießen; oder Menschen, die in traditionellen Kleidern auf der Alm stehen. Wenn wir Berge ernst nehmen wollen, müssen wir uns mit all ihren Di­mensionen auseinandersetzen: Berge sind genauso interessant zu besteigen, wie sie Hindernisse für den Verkehr sind. Berge können eindrucksvolle Felsformationen bilden, aber auch in wüster Art und Weise auseinanderbrechen. Sie können wirtliche, aber auch extrem unwirtliche Orte sein. Die Frage ist, welche Seiten aus diesem Spektrum ich zeige und welche nicht. 

Wozu führen die klischeehaften Bilder? 

Man weckt Erwartungshaltungen, die oft enttäuscht werden. Häufig ist man nicht allein im Gebirge, dann ist da Sauwetter, es ist viel anstrengender, als man dachte, und macht gar nicht so viel Spaß. Und es kommt zu teils fatalen Fehleinschätzungen: Bei der Bergrettung steigen die Einsätze wegen Blockierung – also Berggeher:innen, die sich überschätzt haben und nicht mehr vor- und zurückkönnen.  

(…)  

Das ganze Interview finden Sie auf der verlinkten Homepage des Magazins Bergwelten: https://www.bergwelten.com/a/die-logik-des-vertikalen 

Dr. phil. habil. Jens Badura stand im Rahmen eines Zoommeeting beratend der Produktion zur Verfügung. Er ist Gründer und Geschäftsführer des berg_kulturbüros in Berchtesgaden. Der habilitierte Philosoph, diplomierte Kulturmanager und Publizist lehrt an der Zürcher Hochschule der Künste und ist Senior Fellow am Institut Kulturen der Alpen der Universität Luzern in Altorf. Als Bergführer gehört er zum Team der Wanderakademie „ready to go“ der Bergschule Alpine Welten. 

Raumbühne – Totaltheater!

Anfang der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts, als die darstellende Kunst im Theater in Technik und Architektur ihren Zenit erreichte, strebte man die Idee des Totaltheaters an, die der Bauhausleiter Walter Gropius gemeinsam mit Erwin Piscator entwickelte. Das Totaltheater forderte, ganz wie die Architektur die „Zerschlagung der Kiste”. Die aufkommende Technik der Filmprojektion war darüber hinaus dazu gedacht, den Raum aus allen Richtungen „unter Film zu setzen“. Leider konnte das Totaltheater damals aus Kostengründen nicht realisiert werden, aber die Technik und die fortschrittlichen Ideen, die sich um dieses Projekt rankten, kann man heute immer wieder in modernen Musik- und Schauspieltheaterinszenierungen wiederfinden. Aber wenn eine Raumbühne erst einmal in einem normalen Theater im Zuschauerraum aufgebaut ist, dann kann das für den Theateralltag auch eine Belastung darstellen. Denn ein Theater, das jeden Tag ein anderes Stück auf dem Spielplan hat, wird durch eine Raumbühne blockiert. Die Technik kann so einen Bühnenaufbau im Zuschauerraum nicht an einem Tag abbauen und ein anderes Theaterstück auf der Bühne aufbauen. Das geht nur mit den Bühnenbildern, die herkömmlich für die bestehende Theaterbühne gebaut und geplant wurden; dafür sind unsere Theater konzipiert mit ihren Seiten- und Hinterbühnen, auf denen mehrere Bühnenbilder gelagert werden können.  
„Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann, mit dem die Vereinigten Bühnen Bozen die Spielzeit 2023/2024 eröffnen, wurde vom ukrainischen Bühnen- Kostümbildner und freien Künstler Ivan Bazak gemeinsam mit Regisseur Alexander Charim als Raumbühne konzipiert. Da in unserem Theater ein Theaterstück am Stück gespielt wird, also auch keine Umbauten während dieser Zeit nötig sind, können wir uns so eine aufwendige Bühnenkonstruktion mit all ihren Vorzügen leisten. Bazak hat sich als Sujet für die Bühne den genuinen Zuschauerraum unseres Stadttheaters vorgenommen, den er skurril und surreal verzerrt darin widerspiegelt, so wie aus der Perspektive eines Fiebertraums, den die Hauptfigur Gustav von Aschenbach am Beginn der Novelle durchlebt. Als Publikum werden Sie sich in diesem Setting auf der eigentlichen Theaterbühne wiederfinden und sich der Raumbühne im Zuschauerraum gegenübersehen. Das Haydn Orchester von Bozen und Trient wird nicht versteckt im Orchestergraben sitzen und musizieren, sondern gemeinsam mit den Darsteller:innen dieses Totaltheater bespielen und beschallen. Die Musiker:innen werden sich dabei auch in diesem Raum bewegen als Fernorchester aus dem Theaterfoyer zu hören sein und schließlich im Zuschauerraum auftreten. Zudem hat diese besondere Bühnenform einen ganz klaren und schönen Vorteil im Gegensatz zu unseren herkömmlichen Bühnensituationen mit ihren Logen und Rängen: Sie ist so demokratisch, wie die Griechen einst in ihren Amphitheatern das Theater erfunden haben. Diesen Vorteil hat auch der Kassler Staatstheaterintendant Florian Lutz für sich wiederentdeckt, als er Intendant der Oper in Halle war, um der politischen Situation in den neuen Bundesländern im Theater eine neue demokratische Basis zu bieten, die es uns Zuschauer:innen ermöglicht, wieder auf einer Ebene ins Gespräch kommen zu können. So erzeugt das Totaltheater auf der einen Seite, dass das Gesamtkunstwerk der Bühnenkunst sichtbar wird und dass wir Zuschauer:innen Teil des Ganzen sind und im Streben nach Überwältigung gleichzeitig demokratisch-kritische Reflexion, Jammer und Schauder bis hin zur Reinigung erfahren können. 

Daniel Theuring, Dramaturg 

Foto: Luca Guadagnini

Willkommen im Theater!

LIEBES PUBLIKUM, wir sind die Vereinigten Bühnen Bozen. In den mehr als dreißig Jahren unseres Bestehens haben wir uns zu einem starken, selbstbewussten Teilnehmer in der Mitte der vielseitigen Kulturlandschaft Südtirols entwickelt. Der Wechsel der Intendanz in der neuen Spielzeit soll einen weiteren Meilenstein in unserer Geschichte markieren und wir möchten uns als lebendiger, gemeinsamer Ort der sinnlichen Auseinandersetzung mit Bekanntem und Unbekanntem positionieren. Begeben Sie sich mit uns auf diese Reise!
Judith Gögele, Präsidentin

Wie können wir der komplexen Gegenwart und ihren Fragestellungen nahbar begegnen? Welche Rolle spielen die berührenden Themen und Menschen unseres zeitgenössischen Lebens auf der Bühne des Theaters? Welchen künstlerischen Formen können wir als Theater in und für Südtirol einen Raum zur einzigartigen Entfaltung geben? Ich möchte Ihnen in diesem Spielzeitheft die außergewöhnlichen Projekte, mein begeistertes Team und die mitreißenden regionalen und internationalen Künstler:innen, die ich mit diesen Fragestellungen betraue, vorstellen. Ich hoffe, Sie oft bei uns im Theater begrüßen, unterhalten, herausfordern und inspirieren zu dürfen.
Auf die Begegnung mit Ihnen freue ich mich!

Rudolf Frey, Intendant

Foto: Elisa Cappellari

POP!

Wir, ANGER, freuen uns sehr über die Einladung von Rudolf Frey, Teil seines Debüt-Jahres bei den Vereinigten Bühnen Bozen zu sein. Die Idee, unsere Musik mit Theater zu verbinden, hat uns sofort begeistert. Ein Theater-Konzert Abend mit ANGER – kann es etwas Besseres geben? Ziel ist es ein Theaterstück zu entwickeln, mit unserer Livemusik- und Performance. Wir arbeiten zurzeit an unserem zweiten Studioalbum und möchten diese Songs in die Stückentwicklung einfließen lassen. Da wir sehr viel Liebe für Theater haben und selbst jahrelang an verschiedenen Theaterproduktionen, unter anderem in der Dekadenz Brixen, Spektakel Wien gearbeitet haben, freuen wir uns auf diese Arbeit und Zeit mit den Vereinigten Bühnen Bozen. Es wird ein wilder, lauter, bunter, leiser und schöner Theaterabend. Premiere ist Ende Jänner 2024 in Bozen.

Julian Angerer & Nora Pider / ANGER

Foto: Elisa Cappellari

playground domestico

In occasione dell’apertura della nuova stagione teatrale, Vereinigte Bühnen Bozen presenta al pubblico una serie di dispositivi progettati dagli studenti della Facoltà Design e Arti della Libera Università di Bolzano, con la supervisione dei docenti Davide Tommaso Ferrando e Roberto Gigliotti e di Eugenio Cosentino dello studio Parasite 2.0. Concepiti come i frammenti di un immaginifico “playground domestico”, i dispositivi sono stati realizzati assemblando oggetti di scena in disuso trovati nei magazzini di Vereinigte Bühnen Bozen. Il teatro, così facendo, si apre letteralmente alla città, rimettendo in scena nel foyer e negli spazi antistanti l’edificio del teatro i propri elementi, trasfigurati così da poter essere usati dai visitatori.

Davide Ferrando & Roberto Gigliotti

www.unibz.it/de/faculties/design-art/

Fotos: Elisa Cappellari

Ein neues Aussehen

Komm ins Theater! Diese typografische, einladende Geste ins Theater ist der Grundgedanke des neuen Erscheinungsbildes. Mutig, wild und freundlich, mit einem klaren Kulturbezug: Die fast ausschließlich typografische Gestaltung betont den Fokus auf Sprache und Sprechtheater.
Die Vereinigten Bühnen Bozen nehmen sich ihren Raum mit einem variablen Logo, das seine Grundform aus den Sitzreihen eines klassischen Amphitheaters zieht. Bewegt ist es immer anders und immer selbstbewusst.


Kerstin & Sarah Tolpeit
bueroklass.de

Fotos: Elisa Cappellari